Warum Handarbeit biomechanisch so grundlegend falsch ist!

Nachdem sich bei der ersten Version meines Blogs über die Handarbeit einige Missverständnisse oder Unklarheiten ergaben, gibt es nun einen überarbeitete Version.

Unter Handarbeit verstehe ich dem Pferd die Piaffe und in weiterer Folge auch andere Spezialaufgaben beizubringen. (Siehe auch Alois Podhajsky: Die klassische Reitkunst 192 ff). Alle anderen Beschäftigungen mit dem Pferd vom Boden sind Bodenarbeit, Longieren, Langzügelarbeit, etc. Ausserdem soll hier rein der biomechanische, gymnastizierende und somit gesunderhaltende Effekt oder eben das Gegenteil davon beleuchtet werden. Übungen die im Bereich Zirkus angesiedelt gehören und keinen Anspruch auf diese Kriterien haben sind nicht Inhalt dieser Analyse.

Gleichmal vorweg ist es wichtig sich die Bewegung eines Pferdes zu überlegen. Im Buch von Stefan Stammer ("Das Pferd in positiver Spannung") steht ein Satz der mir bei dem ganzen Thema am zielführendsten erscheint. "Pferde kennen in ihren Bewegungsabläufen keine Zielmotorik, sondern nur rhythmische Bewegungsabläufe....Ein Pferd lernt, um eine Traversale auszuführen, eben nicht, die Beine zu kreuzen, sondern führt seinen rhythmischen Bewegungsablauf mit einer Verschiebung des Schwerpunktes fort." Wenn man diese Tatsache dann noch kombiniert mit der Biomechanik, sprich welche Muskeln bzw. Strukturen genutzt werden müssen um korrekt ablaufen zu können, dann wird man nie wieder Handarbeit machen wollen. Bei der Handarbeit beginnt man genau damit. Nämlich dem Pferd durch berühren mit der Touchiergerte das Heben einzelner Beine zu steuern. Völlig losgelöst vom Bewegungsablauf eine zielgerichtete Motorik beizubringen. Wird dies im übertriebenen Masse betrieben, was auch fehlerhaft von den Befürwortern der Handarbeit kritisierst wird, wird das Heben des Beines mehr ein panisches Zucken und das ganze mehr zu "Angst auf der Stelle" als eine Piaffe.

Bei der Piaffe, als einer der Lektionen mit der höchsten Versammlung sollte die Rückenlinie zumindest parallel zum Boden sein (Aufgabe der Grundausbildung). Wird die Bewegung losgelöst vom gesamten Bewegungsablauf des Pferdes gelehrt, sieht man die biomechanisch falsch ablaufende Bewegung mit durchgedrücktem Rücken (Rücken ins Extension), dadurch hoher Kruppe durch das aufdrehen des hinteren Spannungsbogens bzw. Verlust der Hankenbeugung. Umgekehrt ist es genauso nicht der funktionellen Anatomie des Pferdes entsprechend wenn man sich nur das Becken bzw. die Hankenbeugung als Kriterien für Versammlung anschaut. Da beim Pferd der vordere Spannungsbogen im gleichen Ausmass wie der hinteren sich bilden und man sowohl am hinteren als auch am vorderen "Zahnrad" drehen muss führt das übertriebene absenken der Kruppe zu einer Spannung im Bereich der Lende und das Pferd bildet bei längerem Training dort übertriebene Spannungsmuskulatur an (Karpfenrücken, straffe Niere, feste Lende)

Die Versammlung des Pferdes darf nicht auf ein reines Absenken der Kruppe reduziert werden sondern muss in erster Linie durch ein Anheben des Widerrists erkennbar sein was durch das Anheben des Brustkorbs durch die Rumpfträger (Die Muskulatur, welche den Brustkorb zwischen den Vorderbeinen trägt) geschieht. Aus der Dynamik der Bewegung heraus und dem Impuls des Bewegungsablaufs wird das Pferd die beiden Spannungsbögen (vorderer und hinterer Spannungsbogen) im gleichen Mass aktivieren und den Ablauf von einem vorwärts mehr in ein aufwärts bringen ohne dabei den Takt zu verändern.
 
Die Rumpfträger können aber nur dann aktiv werden, wenn das Pferd seine Unterhalsmuskulatur loslässt bzw. können bestimmte Anteile der Rumpfträger (Musculus serratus ) bei einer zu hohen Kopf-Hals-Position den Brustkorb noch mehr nach unten ziehen als seine eigentliche Aufgabe, das nach oben helfen auszuführen. 

Zum Abschluss möchte ich noch ein paar generelle Gedanken für den Umgang mit und die Ausbildung des Pferdes mitgeben:
Nicht jedes Pferd muss piaffieren, passagieren oder sonstige Lektionen der höchsten Versammlung jemals lernen. Das einzige was wir unseren Pferden schulden ist sie so zu trainieren damit sie die Arbeit die wir von ihnen verlangen auch gesundheitsneutral ausführen können, was wiederum den Umkehrschluss ergibt, dass wir nur die Arbeit verlangen können, welche das Pferd zu dem jeweiligen körperlichen und psychischen Zustand in der Lage ist zu leisten. Es mag sein, dass einige Pferde in ihrer Entwicklung das gängige Schema in welchem Ausbildungsjahr, welche Lektionen ausführen zu können möglich ist. Aber es gibt sehr viele Pferde die trotz fähigster Trainer und Ausbilder dies nicht können ohne dabei Schaden daran zu nehmen.